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Filmkritik
Ein Zwerg wird verhört. Er wird fotografiert wie ein Verbrecher; ein kriminalistischer Fall? Er gehört zur Gruppe von Zöglingen eines Heimes, die die Abwesenheit des Direktors benutzten, sich zu befreien und trotz der wiederholten Mahnungen und Bitten des Erzieherzwerges sich nicht abhalten ließen, ihnen verhaßte Objekte zu demolieren. Die Lieblingspalme des Anstaltsleiters wird entwurzelt, Topfpflanzen in Brand gesetzt, das Auto des Direktors beschädigt. Die Aggressionen richten sich auch gegen die Hilflosen, zwei blinde Zwerge, die man neckt und quält. Schließlich wird auch der Vertreter des Direktors, der Erzieherzwerg, mit Steinen und lebenden Hühnern beworfen. Mit den Nerven am Ende, verläßt er das schützende Büro und beschimpft eine Baumwurzel, die er für einen Aufständischen hält. - Befreiung von der verhaßten Macht; Anarchismus und Revolte. Aber was hat die Revolte gebracht? Die Zwerge wissen nichts mit ihrer gewonnenen Freiheit anzufangen. Die haben sie nicht zu nützen gelernt, ihre Erfahrungen reichen nicht aus, die neue Situation zu strukturieren. Jetzt leben sie nur blindwütig ihre Aggressionen aus. Symbole der Herrschaft werden nicht für die eigenen Zwecke dienstbar gemacht, nein, sie werden zerstört. Das Auto wird mit eingeschlagenem Steuer zum sinnlosen Kreisen gebracht, sie spielen Stierkampf mit ihm, bewerfen es mit Geschirr, demolieren es, erkennen nicht seinen Gebrauchswert. Die Palme ist keine schön gewachsene Pflanze, es ist der Baum, an dem sich der Direktor freute, also zerstören. In ihrem "geordneten" Tagesablauf waren das Essen und Beten fest eingeplant, jetzt werden sie zum Aktionismus übersteigert. Sie bemächtigen sich des Weins - die Weinflaschen haben fast ihre Größe -, beschütten sich damit, bewerfen sich mit Speisen, beten lästerlich dazu. Ein Äffchen wird ans Kreuz gebunden, man formiert sich zur pervertierten Prozession, grölend stolpern die Zwerge hinter dem Kreuz einher. Religion nur als Stabilisator der Macht erlebt, mit Ritualen, die einzuhalten waren, wird ihnen zum Gaudium, zur Verspottung der Ordnung. Fast irrsinnig toben sie umher. Wie ein Rausch hat sie das neue Gefühl ergriffen. - Ist dieser Film eine politische Parabel, ist er faschistisch, wie es Herzog von Linken vorgeworfen worden ist, weil er Befreite als Rabauken zeigt und nicht als Menschen, die eine Gemeinschaft mit allseitiger Gerechtigkeit formen? Ist er einer von den vordergründigen Parabelfilmen, die zeigen, wenn so - dann so und wenn so - dann so? Platte Deutungen versagen vor diesem Aufstand der Zwerge, die auch klein anfangen, die ihre Chance noch nicht erkannt haben. Deren Aktionen noch nicht zielgerichtet sind. Aber ob sie jemals zielgerichtet werden? Wie sind historische Revolutionen verlaufen? - Ist es überhaupt ein Film, der eine Rezeption mit nur politischen Inhalten intendiert? Konfrontiert Herzog uns nicht eher, ähnlich Bunuel, mit den Abgründen im Menschen, dem Nichtkontrollierbaren, dem Sinnlosen? Wo steckt denn der Sinn in unserer Ordnung, die so oft zum Selbstzweck wird? Herzog kommentiert das Treiben immer wieder mit Bildern von Hühnern, deren Verhalten nur gegeneinander gerichtet ist; eine deprimierende Dimensionierung des menschlichen Lebens. Selbst Bunuels vergleichbare Filme haben selten ein solches Gefühl der Trostlosigkeit, der Hoffnungslosigkeit eingegeben. Die Schlußbilder zeigen ein Kamel, das sich immer wieder zu erheben sucht und dem es nicht gelingt, die Vorderbeine aufzurichten. Ein Zwerg steht dabei und lacht dazu schauerlich. Wir sollten uns nicht in heile Welten flüchten, wir sollten unser sinnloses Verhalten durchschauen lernen.