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Filmkritik
Höchst dramatisch zieht der Sommersturm in Vivaldis Streicherwerk „Die vier Jahreszeiten“ auf. Auch die Musiker des isländischen Kammerorchesters, die dieses Stück gerade spielen, wirken äußerst angespannt. Gequält malträtieren sie ihre Instrumente und werfen sich dabei immer wieder wütende oder vorwurfsvolle Blicke zu. Dass es zwischen den Mitgliedern kriselt, ist aber noch das kleinere Problem. Das eigentliche Drama ist die gähnende Leere im Zuschauersaal. Doch solange es noch Fördergelder gibt, versucht die resolute Orchesterleitung Sigríður (Helga Braga Jónsdóttir) die Krise einfach wegzulächeln.
Kurz darauf kommt allerdings heraus, dass die finanzielle Unterstützung wegen des schlechten Renommees des Ensembles eingestellt werden soll. Daran ist der gefürchtete Musikkritiker Gunnar Gunnarsson (Eggert Thorleifsson) nicht ganz unschuldig, der in einer Fernsehshow kein gutes Haar an den Musikern lässt. Von wegen Kammerorchester! Im besten Fall sei das noch ein mittelmäßiges Sextett.
Eine nur vermeintlich gute Lösung
Begeistert ist der angesehene Kritiker dagegen von dem Star-Cellisten Klemens (Hilmir Snær Guðnason). Den sieht man zum ersten Mal in einer dick aufgetragenen Parfüm-Werbung, wo er mit wehendem Umhang und lasziver Mimik gegen die tosende Meeresbrandung anfiedelt. In der Komödie „Der letzte Takt“ von Sigurjón Kjartansson scheint damit die Lösung des Problems bereits gefunden zu sein. Sigríður versucht Klemens als neues Mitglied anzuwerben, und erstaunlicherweise nimmt der sogar an. Der bisherige Cellist wird daraufhin abgeschoben, und die Zukunft des Ensembles gilt als gesichert. Allerdings erweist sich der weltberühmte Musiker als eitler, sexbesessener Gockel, der den Probenalltag für seine Kolleginnen zum Spießrutenlauf werden lässt.
„Der letzte Takt“ widmet sich der Welt der klassischen Musik mit einer Mischung aus kargem Realismus und lakonischem Humor. Die Musiker sind hier gescheiterte Existenzen, die von kunstfernen Förderern abhängig und von ihrem Privatleben, sofern ein solches überhaupt existiert, überfordert sind. Die Komik des Films ist zunächst zurückhaltend und trocken. Mehr in Schwung kommt die Handlung erst durch ihren exzentrischen Neuzugang. Dabei zeigt sich durch den überzeichneten Klemens nicht nur exemplarisch, wie hier jeder in der Kulturszene seine Mitmenschen zu blenden versucht, sondern auch, wie letztlich alle ihren eigenen Wunschprojektionen erliegen.
Eine makabre Maskerade
Wegen des sichtlich geringen Budgets und der teilweise etwas behelfsmäßig wirkenden Handlung konzentriert sich der Film vor allem auf sketchartige Routinen. Einige der Nummern finden eine gelungene Balance zwischen präziser Beobachtungsgabe und schamloser Übertreibung. Etwa wenn der narzisstische Klemens bei der ersten Probensitzung einen möglichst dramatischen Auftritt hinlegen möchte. Oder wenn die Violinistin Steinunn (Ilmur Kristjánsdóttir) hoffnungslos dem nur vermeintlichen Charme des Stars verfällt; sehr zum Leidwesen ihres Mannes.
Als das von der Öffentlichkeit heiß ersehnte Debüt der neuen Besetzung ansteht, kommt es wegen eines Zwischenfalls zu einer überraschenden Wendung. Das Haus ist ausverkauft, aber das Konzert kann eigentlich nicht stattfinden. Weil sich die Musiker ihren verdienten Ruhm jedoch nicht nehmen lassen wollen, veranstalten sie eine makabre Maskerade, die fast die gesamte zweite Hälfte des Films einnimmt. Dabei besitzt die hoffnungslose Situation nicht nur wegen ihrer Absurdität großes komisches Potenzial, sie dient dem Film auch als satirische Abrechnung mit einem oberflächlichen Musikbetrieb.
Kauzige Figuren, grelle Kontraste
„Der letzte Takt“ setzt auf einen grellen Kontrast zwischen dem schmucklos tristen Leben der ursprünglichen Orchester-Mitglieder und der übertrieben glamourösen Aura, die den neuen Cellisten umgibt. Das Umfeld der Instrumentalisten besteht dabei aus Schwätzern und Opportunisten, die sich deutlich weniger für die Musik interessieren als für ihre reißerische Verpackung. Selbst der angesehene Kritiker verfällt einem Trugbild. Die einzigen, die im vollen Konzertsaal einen klaren und unverstellten Blick bewahren, sind die Kinder.
Dank der kauzigen Figuren, die selbst nicht glauben können, mit welch geschmacklosem Erfindungsreichtum sie für ihren Moment im Rampenlicht kämpfen, gelingen dem Film immer wieder Szenen mit gut geölter Situationskomik. Ebenso häufig gibt es aber auch Durststrecken, bei denen „Der letzte Takt“ zu gehemmt mit seinem komischen Material umgeht und dadurch hinter seinen Möglichkeiten bleibt. In seinem Element ist Regisseur Sigurjón Kjartansson dagegen immer dann, wenn er sich ganz schmucklos dem peinlichen zwischenmenschlichen Miteinander widmet, bei dem sich die Figuren mehr schlecht als recht etwas vorzumachen versuchen.