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Filmkritik
Tom Michell (Steve Coogan) ist Englischlehrer im Ausland. Nach einigen Stationen in Mittelamerika soll er nun – wir schreiben das Jahr 1976 – seine Arbeit an einem Jungeninternat in Buenos Aires aufnehmen. Doch kaum dort angekommen, putscht das Militär, was sich hier, im noblen Vorort, zunächst kaum bemerkbar macht. Seine Schüler hingegen, Söhne reicher Eltern, sind unaufmerksam und uninteressiert. Michell schützt sich mit sarkastischem Humor und blasierter Arroganz, sehr zum Unwillen des Direktors (Jonathan Pryce), der ein wenig mehr Engagement von ihm einfordert.
Einen einwöchigen Zwangsurlaub wegen der Unruhen nutzt der Lehrer zu einer Reise nach Uruguay. Hier findet er am Strand einen ölverschmierten Pinguin. Gemeinsam mit einer Zufallsbekanntschaft rettet er dem Tier das Leben – und wird es fortan nicht mehr los. Michell bleibt nichts anderes übrig, als den Pinguin nach Buenos Aires zu schmuggeln und ihn auf seiner Terrasse einzuquartieren – trotz des Gestanks, trotz des Drecks, den er macht. In einer übergroßen Tasche trägt er ihn spazieren und tauft ihn Juan Salvador, und als seine Schüler wieder einmal Schabernack treiben, stellt er ihn einfach aufs Pult und hat prompt ihre volle Aufmerksamkeit. Juan Salvador ist so etwas wie ein putziges Kuscheltier, ein treuer Freund, ein beständiger Partner, der die Menschen zusammenbringt und ihnen zuhört.
Ein Mann, der nicht mehr viel vom Leben erwartet
Eine wahre Geschichte. 2016 veröffentlichte Tom Michell seine Erinnerungen unter dem Titel „The Penguin Lessons“, die der Drehbuchautor Jeff Pope für die Leinwand adaptierte. Peter Cattaneo, dessen großer Erfolg mit „Ganz oder gar nicht“ (1997) schon lange zurückliegt, übernahm die Regie. Doch zunächst einmal gehört dieser Film Hauptdarsteller Steve Coogan. So wie er Tom Michell spielt, desillusioniert, resigniert und mürrisch, aber auch komisch und trotz aller Fehler sympathisch, ist er ein Mann, der schon einiges hinter sich hat und nicht mehr viel vom Leben erwartet.
Die erste Hälfte des Films funktioniert darum gut als unterhaltsame und witzige Komödie, die von Coogans lakonischen One-Linern und seinem Umgang mit dem Pinguin lebt. Die Freundschaft zwischen Mensch und Tier hat nicht nur etwas Anrührendes, sondern, der Unwahrscheinlichkeit wegen, auch Überraschendes. Juan Salvador macht aus Tom Michell einen besseren Menschen, der seine Haltung überdenkt und sich für andere einsetzt.
Politik mit kleinem „p“
Der Militärputsch dient dabei nur als Hintergrund, um die Bedeutung von politischen Idealen und furchtloser Zivilcourage zu betonen. Dass Michell hilflos mitansehen muss, wie die politisch engagierte Putzfrau Sofia auf offener Straße von Sicherheitskräften in ein Auto gezerrt und entführt wird, bleibt eine Episode. Die Verhaftung einer Rebellin, einige Soldaten in der Stadt, schließlich die Konfrontation Michells mit einem Schergen des Regimes – für die Zeichnung einer brutalen, unmenschlichen Militärdiktatur ist das sicher zu wenig. Darauf hatte der Film den Zuschauer bereits zu Anfang eingestimmt: Politik, so der Direktor bei Michells Ankunft, werde hier mit einem kleinen „p“ geschrieben. Eine Ermahnung, die der Lehrer nur allzu gern befolgt. Er ist ein privilegierter Ausländer, der vor dem Schlimmsten bewahrt wird.
Dazu passt auch die detailfreudige Ausstattung mit ihren warmen Tönen und die sorgfältige Kamera-Arbeit: edel eingerichtete Klassenzimmer, sattgrüner Rasen, sonnendurchflutete Terrassen, übereifrige Schutzleute am Schultor, die die Wirklichkeit nicht hereinlassen wollen. Die Schrifttafel am Schluss, die über 30.000 Tote oder Verschwundene während der Militärdiktatur informiert, wirkt darum seltsam deplatziert. Denn um die Opfer geht es hier nicht.