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Filmkritik
Widerborstig und marodierend ziehen sie durchs Land und brandschatzen und rauben, als wenn es kein Morgen mehr gäbe. Die Rede ist nicht von den wilden Wikingern, zu denen auch der junge Hicks (Mason Thames) gehört, sondern von Drachen, den feuerspeienden Artverwandten der Dinosaurier. Sie machen auch den Bewohnern des Wikingerdörfchens Berg das Leben wortwörtlich zur Hölle. Der schlaksige Teenager Hicks ist ganz Kind seiner Horde: darauf getrimmt, als Drachentöter die Liebe und Anerkennung seines Vaters Haudrauf (Gerard Butler) zu erringen. Wie allen anderen Heranwachsenden wurde ihm vor allem eines eingetrichtert: Drachen zu töten – sobald man einen sieht. Der Hass fällt Hicks auch deshalb nicht schwer, weil seine Mutter einem Drachenangriff zum Opfer fiel. Zwischen den Urtieren und den Wikingern herrscht ein ewiger Krieg, ganz nach dem Motto „Entweder wir oder die“.
Überzeichnet und nicht immer „pc“
In der Gemeinschaft voller versehrter Körper und fehlender Gliedmaßen werden Abweichler nicht geduldet. Im Kampf gegen die gewaltigen Urtiere gibt es kein Pardon; zu viele Arme und Beine bleiben deshalb zerquetscht, zerbissen und verbrannt auf den Schlachtfeldern zurück. Das klingt nicht nach einem Kinderfilm – und tatsächlich hat die FSK die Real-Verfilmung von „Drachenzähmen leicht gemacht“ (2011) auch erst ab 12 Jahren freigegeben. Das passt wahrscheinlich auch zur mitgewachsenen Fangemeinde der erfolgreichen Animationsfilmreihe, weniger zu einem gemeinsamen Familienausflug ins Kino. Doch es tut dem Spaß und der Emotionalität keinen Abbruch. Denn die Wikinger-Kinder werden im brandgefährlichen Kampf um den begehrten Titel eines „Drachentöter“ herrlich überzeichnet und bewegen sich auch mal am Rande des politisch Unkorrekten.
Der pechschwarze Drache „Ohnezahn“ ist in seiner Mimik zwischen Angst, Hass und Neugierde hingegen niedlich animiert. Und die uralte Geschichte einer Annäherung zweier Erzfeinde, die im schuppig-ruppigen Gewand ihre Vorurteile überwinden müssen, berührt nachhaltig. Vielleicht gerade auch, weil hier eine realiter unmögliche Kombination aufgeführt wird, die schon Reihen wie „Game of Thrones“, „Eragon“ oder „Harry Potter“ ihre Fantastik verliehen: von Drachen und Menschen.
Aus der Art geschlagen
Für eine solche Annäherung braucht es besondere Helden. Auch der junge Hicks ist nicht nur faktisch anders als seine Altersgenossen; in den Augen der Wikinger ist er tollpatschig und vermeintlich schwachbrüstig. Er empfindet sich selbst auch als Außenseiter, wenngleich er mit seinen technischen Konstruktionen, mit denen er den Drachen auf den Pelz rücken möchte, Klugheit und einen großen Einfallsreichtum an den Tag legt. Gleich zu Beginn erwischt Hicks mit seiner Steinschleuder einen Drachen, der wie er selbst aus der Art geschlagen ist: einen Nachtschatten. Der pechschwarze Drache nutzt die Dunkelheit als Tarnung und wurde deshalb noch von keinem Menschen je gesehen. Als er abgestürzt und gefesselt vor Hicks’ gezücktem Messer liegt, zögert der Junge voller Mitleid – weil er sein eigenes ängstliches Selbst in den neongrünen Augen aufblitzen sieht. Zwischen den Außenseitern entsteht eine Freundschaft, die durch ihren Sonderstatus auch eine Verständigung ermöglicht. Wobei jede Interaktion mit „Ohnezahn“ zunächst symbiotische Züge annimmt.
Der Übergang in die Realfilmwelt gelingt der Neuverfilmung nicht ganz stolperfrei. Denn die Brutalität der potenziell tödlich ausgehenden Kämpfe zwischen Drachen und Menschen bedingt eine gewisse logische Absurdität. Welche Eltern würden ihre Kinder schon in eine Drachenkampf-Arena schicken, in der bei jeder Unterrichtsstunde das Leben auf dem Spiel steht? Extrem unvernünftig mutet in der Realverfilmung auch die Fahrt in die Schlucht der Drachen an, in der die zerbrechlichen Boote der Wikinger geradewegs in einen Hinterhalt rudern. Was im Animationsfilm durch die künstlerische Machart nicht so ins Auge fiel, wirkt in der Realverfilmung mitunter doch sehr unglaubwürdig.
Atemberaubende Flüge über das Meer
Was jedoch gleichgeblieben ist, sind atemberaubende „Ausflüge“ in der Höhe und ein an Aktualität kaum zu übertreffendes Plädoyer, den blinden, über Generationen überlieferten Hass zu überwinden. Es wäre doch so viel besser, gemeinsam gegen die Unterdrücker zu kämpfen, als sich gegenseitig das Leben schwer zu machen und sich lediglich als (Fress-)Feinde anzusehen. Wie wäre es mit Kooperation und Koexistenz statt der fortwährenden Dauerkatastrophe? Letztendlich geht es um Themen, die jede Coming-of-Age-Erzählung schmücken: die Positionierung in der Welt zwischen elterlichen Ansprüchen, individuellen Grenzen und Talenten.
Das betrifft auch die grenzenlose Entwicklung der Tricktechnik, durch die es mittlerweile möglich ist, selbst die fantastischsten Wesen die Leinwand erklimmen zu lassen. Zeitnah zum Kinostart der Live-Action-Flauschtiere von „Lilo & Stitch“ bevölkert nun die schuppige Drachenhorde von „Drachenzähmen leicht gemacht“ die Leinwände. Allerdings haben die Real-Verfilmung von „Arielle, die Meerjungfrau“ (2023) und „Schneewittchen“ (2025) auch Fragen nach Nutzen und Grenzen solcher Adaption aufgeworfen, da heute über Gender und Rassismus ganz anders gedacht wird als zur Entstehungszeit der Animationsfilmklassiker. Narrative Innovationen, wie sie die Märchenverfilmung „Schneewittchen“ von Marc Webb unternommen hat, sind in „Drachenzähmen leicht gemacht“ nicht zu finden; allerdings liegt die Animationsversion ja auch noch nicht so lange zurück.
Never change a winning team
Dabei stand wohl die Überlegung Pate, dass man sich nichts vorwerfen lassen muss, wenn man außer der Umwandlung der Animationsbilder in (nicht weniger animierte) Realfilm-Flüge keine Änderungen vornimmt. Regisseur und Drehbuchautor Dean DeBlois, der alle drei bisherigen „Drachenzähmen leicht gemacht“-Animationsfilme aus den Jahren 2010, 2014 und 2019 mitverantwortete, enttäuscht auch in der Realfilm-Adaption seines eigenen Stoffes nicht. „Never change a winning team“ gilt auch für Hicks und Ohnezahn. Damit setzt sich „Drachenzähmen leicht gemacht“ durch die pure Kopie des Originals nicht in ähnliche Nesseln wie „Schneewittchen“. Die Frage nach der Legitimation und künstlerischen Wertigkeit eines solchen Verfahrens darf dennoch gestellt werden.