






- Veröffentlichung25.09.2025
- RegieGabriel Mascaro
- ProduktionBrasilien (2025)
- Dauer87 Minuten
- GenreDramaAbenteuerScience FictionFantasy
- Cast
- AltersfreigabeFSK 6
- IMDb Rating7.2/10 (393) Stimmen
Vorstellungen










Filmkritik
„Ich kann dich mitnehmen“, sagt der Schiffskapitän (Rodrigo Santoro) zu Tereza (Denise Weinberg), „aber ich nehme viele Abkürzungen“. Wobei sich die Abkürzungen durchaus wie Umwege anfühlen können. Vielleicht gibt es am Ende gar keinen Unterschied zwischen Abkürzungen und Umwegen, vor allem nicht, wenn man mit einem derart schrägen Bootsführer und einem so unkonventionellen Schiff unterwegs ist. Tereza fühlt sich allerdings wohl mit Kapitän und Schiff. Ohnehin ist es für sie wichtig, nicht den einfachen, geraden Weg zum Ziel einzuschlagen. Denn der führt in die Unfreiheit.
Am Ende wartet die Altenkolonie
„Das tiefste Blau“ von Gabriel Mascaro spielt in einer dystopischen Zukunft, die sich rein äußerlich nicht von der Gegenwart unterscheidet. Tereza lebt in einem Armenviertel, wie es in Brasilien viele gibt. Auch die unterschiedlichen Gefährte, die sie im Laufe des Films besteigt, haben nichts Futuristisches an sich. Was sich allerdings verändert beziehungsweise verschärft hat, ist der Umgang mit alten Menschen.
Gleich zu Beginn wird Tereza aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters – sie geht auf die 80 zu – zum „lebenden Kulturerbe“ erklärt und ihre bescheidene Unterkunft mit einer Art offiziellem Lorbeerkranz geschmückt. So weit, so tacky. Doch alsbald macht Tereza Bekanntschaft mit der menschenfeindlichen Rückseite dieser vermeintlichen Wertschätzung ihrer Lebensleistung. Alte Menschen werden in „Das tiefste Blau“ entmündigt und in sogenannte Kolonien verfrachtet. Das sei zu ihren Besten; dort seien sie ihre Sorgen los.
Wie es in den Kolonien tatsächlich aussieht, erfährt man nicht, da die findige Tereza ihren Häschern gleich mehrmals entwischt. Einmal auch, indem sie Inkontinenz vortäuscht.
Ein Land alter Technologien
Im Verlauf ihrer Fluchtversuche macht sie unter anderem die Bekanntschaft des Schiffskapitäns. Von ihm lernt sie, ein Boot zu navigieren. Jedes Schiff funktioniere gleich, erfährt sie. Ein Lenkrad, ein Schalthebel und ein paar Knöpfe: Mehr braucht es nicht, um es von einem Ort zu einem anderen zu lenken. In der Folge schließt Tereza Bekanntschaft mit einem anderen Brasilien. Ein Land, das sich dem stromlinienförmigen Kosten-Nutzen-Denken des Mainstreams widersetzt. Dieses andere Brasilien ist ein Land der alten, analogen, treibstoffintensiven Technologien; ein Land der einigermaßen derangierten, Rauschmitteln und dem Glückspiel zusprechenden, auf ihre persönliche Autonomie bedachten Männer; aber auch ein Land der freigeistigen Frauen. Eine Nonne, die nicht an Gott glaubt, aber dennoch digitale Bibeln unters Volk bringt und sich von nichts und niemandem einengen lassen möchte, wird zur treuesten Gefährtin der Hauptfigur.
Und Tereza selbst? Sie träumt zunächst, simpel genug, vom Fliegen, sitzt sogar einmal kurz auf einem Ultraleichtflieger, der nach einer ziemlichen Höllenmaschine ausschaut und zum Glück nicht abhebt. Auch insgesamt werden ihre Träume – und der Film mit ihnen – von der Luft zum Wasser umgeleitet. Im selbstbestimmten Gleiten über die Wellen finden Tereza und „Das tiefste Blau“ ihren idealen Bewegungsmodus. Dazu passen die atmosphärischen, weltabgewandten Schauplätze – von Schlingpflanzen überwölbte Buchten oder Zaubergärten, in denen riesige Holzgesichter aufgestellt sind – und auch das klassische 1.375:1-Format, in dem die bedächtigen, unaufgeregten Einstellungen gefilmt sind.
Kein Glaube ans Rebellentum
Die Musik, mit der das Road Movie zu Wasser untermalt ist, fällt gelegentlich allerdings etwas arg aufgedreht-süßlich aus. Wie man überhaupt durchweg den Eindruck hat, dass Regisseur Gabriel Mascaro seiner Hauptfigur nicht ganz vertraut. Insbesondere kann man sich fragen, wozu es die Science-Fiction-Elemente der Handlung überhaupt braucht.
Tatsächlich nehmen die ohnehin eher skizzenhaft anmutenden Thriller-Elemente dem Film mehr, als sie ihm hinzufügen. Um als ernsthafte Kritik an Altersdiskriminierung, der Entsolidarisierung der Gesellschaft oder der Durchökonomisierung der Lebenswelt durchzugehen, bleiben sie zu schematisch. Und Tereza würde man es auf der anderen Seite auch ohne weiteres zutrauen, ihren Freiheitsdrang auch ohne die Drohkulisse einer Altenkolonie auszuleben.