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Filmkritik
Sein Gesicht ist blutverschmiert und sein Auge fast zugeschwollen, als der Staatsanwalt Fok Chi Ho (Donnie Yen) sein Plädoyer hält. Sieben Jahre zuvor saß er schon einmal in diesem Saal, damals noch ohne das traditionelle Barrister-Gewand und die dazugehörige Perücke, aber mit ähnlich schweren Verletzungen. Mit einer Nackenstütze um den Hals sagte der damals noch als Detective tätige Fok im Gerichtssaal aus. Der Anführer der Waffenschmuggler-Bande, den er und seine Kolleg:innen nicht nur verhaftet, sondern unter Einsatz ihres eigenen Lebens auch vor dem Tod retteten, wurde jedoch nicht verurteilt. Die Verteidigung zauberte derart viele Halbwahrheiten, Zerrbilder und Verfahrenstricks aus dem Hut, dass der Schuldige schließlich freigesprochen wurde. Recht und Gerechtigkeit gerieten darüber so sehr aus der Bahn, dass der Polizist einen Karrierewechsel anging, um die Balance eigenhändig wiederherzustellen.
Eine Nase voll Koks
Sieben Jahre später trägt er nicht mehr Waffe und Marke, sondern dicke Aktenordner und eine gelockte Perücke. Auch seine Kolleg:innen sind nicht mehr das rechtschaffene, bis zur Selbstaufgabe für das Recht einstehende Personal der Hongkonger Polizei, sondern eine träge, gänzlich korrupte Justizelite, die sich wenig Mühe gibt, das Common Law anständig zu praktizieren, sondern sich lieber mit Mauscheleien und Hinterzimmer-Absprachen begnügt und die Nase Koks durch die Zusammenarbeit mit Triaden und Kartellen finanziert.
Schon der erste Fall des Ex-Cops bringt all das ans Tageslicht. Wieder einmal sieht die Sache zunächst recht eindeutig aus. Der junge Ma Ka Kit (Ho Yeung Fung) wird verhaftet, als er ein Paket mit Rauschgift annimmt. Der eigentlich Schuldige aber ist ein Freund des Verdächtigen, der dessen Adresse für den Drogenschmuggel benutzt. Für Fok ist die Sache klar. Nicht der Angeklagte sollte schuldig gesprochen, sondern sein Freund angeklagt werden. Fok ist in diesem Fall aber nicht Verteidiger, sondern der staatliche Ankläger. Im Gerichtssaal argumentiert er trotzdem für den offenkundig unschuldigen Jungen, während das korrupte Verteidiger-Duo (Shirley Chan, Julian Cheung) ihm rät, sich schuldig zu bekennen und die erwartbar milde Strafe aussitzen. „Milde“ heißt für den Richter am Ende aber 27 Jahre Haft.
Die Staatsanwaltschaft interessiert das Schicksal des Jungen nicht weiter. Schon am Abend schwenkt man zusammen mit dem Richter einen Jahrhundert-Wein und sorgt sich nicht mehr um den Verbleib des Jungen, der in den Armenvierteln der Stadt aufwuchs, seiner Mutter das Heroin spritzen musste und das Leben nun im Gefängnis verbringen muss. Fok aber erträgt das nicht. Er stellt die Judikative, zumindest für einige Sequenzen, in den Dienst des Klassenkampfes, sagt dem Richter die Meinung und macht sich daran, den Prozess in der Berufung neu aufzurollen.
Rangeln wie Teenager
Im Gesamtbild des Films ist das aber nicht mehr als eine kosmetische Maßnahme. So pathetisch der Einsatz für die Schwachen der Gesellschaft auch gezeichnet ist, entfaltet sich der eigentliche Film als Spagat zwischen Judikative und Exekutive und damit als Hybrid aus Gerichtsdrama und Actionfilm. Auf der Meta-Ebene ist „The Prosecutor“ damit eine Art Scharnierfilm, in dem der Action-Star Donnie Yen seine Martial-Arts-Einlagen zurückfährt, um Raum für das gänzlich unkinetische Drama zu schaffen. „Ich habe nie aufgegeben. Ich bin nur alt geworden“, sagt Fok einmal, und es ist schwer zu überhören, dass hier auch ein alternder Yen spricht. Dass er es doch nicht lassen kann, illustriert eine schöne Szene, in der Fok seinen Vorgesetzten zu einer Rangelei provoziert, an deren Ende beide wie Teenager lachend nebeneinander auf dem Boden liegen.
Im Gerichtssaal ist die Sache jedoch nicht so einfach. Der Fall des Jungen verkompliziert sich so sehr, dass auch die Einblendungen, die Justizjargon und den Stand der Gerichtsverhandlung erklären, keine Orientierung bieten können. Das Drehbuch von Pak Wai Lam und Edmond Wong zieht viel zu viele Schleifen. Klarheit gibt es nur abseits des Gerichtsaals, dort, wo Donnie Yen denen, die das Recht brechen, seinerseits mit Hockeyschlägern und Europaletten die Knochen bricht, bevor er die Zeug:innen und sich selbst wieder in den Gerichtssaal schleppt.