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Filmkritik
Schon der Titel beansprucht Universalität: Nicht allein „War“, also Krieg, wird hier gezeigt, nein „Warfare“, Kriegsführung, oder: das Wesen des Kriegs berührt dieser Film. Nicht allein ein renommierter Filmemacher wie Alex Garland führt hier Regie, auch der Veteran Ray Mendoza bekommt seinen Credit als Co-Regisseur. Gewissermaßen steckt das schon den Rahmen ab, der tatsächlich sehr viel kleiner ausfällt, als der Titel suggerieren mag. „Warfare“ dreht sich um einen einzigen Einsatz einer Navy-SEAL-Einheit. Es ist keine Texttafel, die das Geschehen im Irakkrieg, genauer: im Ramadi des Jahres 2006 verortet. Den einzigen Kontext gibt das Musikvideo zu Eric Prydz’ „Call On Me“, in dem etwa ein Dutzend Aerobic-Tänzerinnen zum so stumpfen wie eingängigen Beat des Songs die Beine spreizen und Trockensex-Übungen vollführen. Im Film hat das Video seine Zuschauer in einer Einheit der Navy-SEALs, die hier zur Körperschau grölen, bevor sie kurz darauf in Ramadi in Stellung gehen. Ein letztes Bild des Hit-Videos ist noch zu sehen, als zwei GIs bei der nächtlichen Aufklärung die Aerobic-Posen nachahmen.
Körper, die von Metall und Feuer zerstört werden
In dem was folgt, geht es um Körper, die von Metall und Feuer zerstört werden. Es geht nicht um die SEALs, nicht um die Fähigkeiten der Elite-Einheit, wie sie bereits in unzähligen Filmen zur Schau gestellt wurden. Genauso wenig geht es um die US-Streitkräfte selbst, es geht nicht einmal wirklich um den Irakkrieg. Die neutrale Position, die sich Regisseur Alex Garland in „Civil War“ noch selbst einredete, wird hier zur radikal subjektiven Perspektive – die Handlung des Films basiert ausschließlich auf den Erfahrungsberichten der beteiligten US-Soldaten –, die auf anderem Weg zu dem Ziel kommt, das Garlands Vorgängerfilm noch meilenweit verfehlte. Der Einsatz der Navy-SEAL-Einheit ist so konkret auf die Sicht der Beteiligten verengt, so wenig in den größeren Kontext des Kriegs gesetzt, dass allein die Gewalt der individuellen Erfahrung durchschlägt. Eine Erfahrung absoluten Kontrollverlusts.
Nachdem die Einheit ins Haus einer irakischen Familie gelangt ist, ist die besagte Kontrolle noch da. Das Scharfschützen-Team der Einheit geht in Stellung, die Gegend wird nach „Military Aged Males“, Männern im wehrfähigen Alter, aus der Luft und durch das Zielfernrohr gescannt, regelmäßiger Funkkontakt mit dem Kommando ausgetauscht, der Kautabak in die Wasserflasche gespuckt und wenn es allzu langweilig wird, macht man ein paar Liegestütze zwischen dem Spähen. Als soziale Einheit charakterisiert der Film die Soldaten in den kleinen Gesten der absoluten Vertrautheit, die sie untereinander austauschen. Einer spuckt dem anderen ins Wasser, sieht seinem Gegenüber dann dabei zu, wie dieser es genüsslich trinkt; hier eine anzügliche Geste, dort ein dummer Spruch: Brüder unter sich.
Langsam zieht der Film die Schrauben an
Bis sich draußen etwas zusammenbraut. Die „Männer im wehrfähigen Alter“ sammeln sich, werden, ständig durch das Zielfernrohr, beobachtet und als potenzielle Kombattanten identifiziert, die zunehmend im selben Haus ein und aus gehen. „Warfare“ weiß die Echtzeit-Beobachtung gezielt in Spannungsmechanik umzusetzen: Die Straßen leeren sich. Eine Waffe wird gesichtet. Langsam zieht der Film die Schrauben an, bis den Amerikanern und ihren Übersetzern klar ist: der Angriff steht kurz bevor. Die Einheit macht sich bereit, verlegt zu werden. Auf dem Weg nach draußen detoniert eine Sprengfalle. Plötzlich herrscht Stille, wo vorher der perfekt einstudierte Ablauf der professionellen Routine war. Die Soldaten sind im Staub verschwunden.
Ein abgetrennter Torso ist das Erste, was der Feuerleitoffizier Ray Mendoza (gespielt von D’Pharaoh Woon-A-Tai) sieht, bevor der Lärm und die Schreie zurückkehren. Zwei weitere Kameraden liegen auf der Straße, ihre Beine sind nur noch Fetzen aus Fleisch und Stoff, die lose an den zertrümmerten Knochen hängen. Unter dessen Schmerzensschreien zieht Ray einen Kameraden ins Haus, versichert ihm gegen besseres Wissen, dass er nicht sterben wird. Alles verharrt in Schockstarre. Die zwei Verwundeten liegend schreiend in Blutlachen, die Beine bis zur Unkenntlichkeit zerrissen, der Penis in einer Blutlache freigelegt. Die zuvor noch quasi blind abgearbeiteten Routinen brechen zusammen. Ein GI schafft es nicht, die Dosis Morphium zu verabreichen, der Captain des Teams steht halb bewusstlos in der Mitte des Raums.
Der absoluten Hilflosigkeit ausgesetzt
Das Regieduo Garland und Mendoza stellt inmitten des Kriegs keine Fragen nach dem Sinn, den ethischen Grundlagen des Einsatzes, keine nach Heroismus oder Stumpfsinn der Armee. Der zeit- und erinnerungsauthentische Kriegsfilmentwurf ist ein autoritärer, gewalttätiger Vortrag, dabei aber nicht stumpfer Bellizismus. Krieg bedeutet hier nicht kämpfen, Krieg bedeutet sterben. „Warfare“ ist Kriegsfilm in exakt diesem Sinne und dadurch weitgehend singulär in der aktuellen Peripherie Hollywoods. Nicht Action ist das, was in den knapp 95 Minuten Echtzeit-Simulation stattfindet, sondern Gefecht. Genauer gesagt: Rückzugsgefecht. Die dauernden Schusssalven nehmen keinen gut sichtbaren Feind ins Visier, töten kein vorher ausgerufenes Ziel, sondern gewinnen nur die nötige Deckung oder die paar Sekunden, die es braucht, um eine Kreuzung zu überqueren. Einschläge und Explosionen treffen nicht denjenigen, der einen Fehler macht, sondern irgendwen. Eine Gruppe von Elitesoldaten ist der absoluten Hilflosigkeit ausgesetzt, die der moderne Krieg bedeutet.
Mehr noch als die Rückkehr zur Routine – die Einheit befreit sich so gut wie möglich, aber doch kaum aus der Schockstarre – ist es die Rückkehr zum Nicht-Kriegszustand, die dem festgehaltenen Erfahrungshorizont Nachdruck verleiht. Auf die Langeweile folgt das Sterben und dort, wo das Sterben vorbei ist, kehrt das Leben zurück – nicht mit Pathos, nicht mit großer Geste, sondern in einer fast absurd erscheinenden Nüchternheit. Das Alltagsleben wandert einfach zurück ins Bild, als habe es sich verirrt. Wo eben noch ein Kampfbomber weniger Meter über der Straße flog, den ganzen Block zum Erzittern brachte, wo ein Bradley-Schützenpanzer die Dächer der Nachbarschaft pulverisierte, genau dort laufen bald die Männer umher, die für wenige Stunden zu Kämpfern wurden. Die Familie, deren Haus besetzt, belagert, zerstört und in Blut getränkt wurde, kehrt in das Wohnzimmer zurück. In der Zufahrt liegt das abgetrennte Bein eines Soldaten. Der Krieg ist weitergezogen.